Werden nur die von der Corona-Krise betroffenen Monate (April bis Dezember 2020) erfasst, liegt der Rückgang sogar bei -9,3 %. Bei den Einzelunternehmen war das Minus laut amtlicher Statistik noch größer. Allerdings ist zu beachten, dass in der Regel 90 % aller von Insolvenz betroffenen Beschäftigten in Personen- und Kapitalgesellschaften arbeiten bzw. dort angestellt sind.
Woran liegt es, dass weniger Unternehmen wirtschaftlich scheitern, während zeitgleich die größte Wirtschaftskrise seit der Großen Depression stattfindet? Die Reaktion der Politik (Geld- und Fiskalpolitik) auf die Corona-Pandemie war von Geschwindigkeit und Ausmaß bislang einzigartig und macht damit auf Unternehmensebene den maßgeblichen Unterschied zu allen zuvor aufgetretenen wirtschaftlichen Krisen. Das Krisenreaktionsmuster des Staates und staatlicher Institutionen bezog sich dabei nicht nur auf Deutschland, sondern trat in den Industrienationen weitestgehend symmetrisch auf. Die möglichen globalen Nebenwirkungen beleuchten wir im unteren Abschnitt.
Während das Paradoxon geringer Insolvenzen im Krisenjahr 2020 zwar in erster Linie mit staatlichen Rettungsprogrammen erklärt werden kann, war auch das abwartende Verhalten der Unternehmen von Bedeutung. Das war möglich, weil die meisten Firmen am Ende der längsten Aufschwungphase seit 1966 über entsprechende finanzielle Reserven verfügten. So schreibt das Institut für Wirtschaftsforschung Halle in einem Beitrag: „In der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Krise und den Nach-Corona-Boom, die zum Beispiel durch enorm gestiegene Ersparnisse der Bundesbürger im Jahr 2020 genährt wird, haben sich offenbar viele Unternehmen für ein Abwarten und die Hinnahme vorübergehender Verluste entschieden. Das Kurzarbeitergeld in seiner derzeit besonders großzügigen Ausgestaltung, etwa mit Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge, dürfte zu dieser Entscheidung wesentlich beigetragen haben (…)“.
Deutliche Anstiege bei den Insolvenzen verzeichneten Mitte 2020 das Reisegewerbe, die Beherbergungsbranche sowie Unternehmen aus dem Bereich Kultur. Diese Entwicklung stand entgegen dem Trend und deutet auf eine schiere „Aussichtslosigkeit“ vieler Unternehmen in diesen Bereichen hin, welche auch durch das staatliche Netz nicht aufgewogen werden konnte. Ein weiterer Faktor, der in Deutschland neben dem Kurzarbeitergeld zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen hat, war die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Dagegen scheinen die direkten Transfers des deutschen Staates aufgrund zeitlicher Verzögerung eine vergleichsweise geringere Stabilisierungswirkung entfaltet zu haben.
Ob die Summe der staatlichen (Rettungs-)Maßnahmen zu einer Verzögerung oder gar Verschleppung von Insolvenzen geführt hat, ist bei allen Erfolgen der staatlichen Hand auf Unternehmensebene gesamtwirtschaftlich relevant. Denn neben Finanzstabilitätsrisiken im Falle einer aufgeschobenen Insolvenzwelle sollten genügend Ressourcen für Zukunftsbranchen vorhanden sein. Dazu müssen „Zombieunternehmen“ – unrentable Firmen, die von den kurzfristigen Unterstützungsmaßnahmen am Leben gehalten werden – möglichst verhindert werden.