Daniel Winkler
Multi Asset Strategist
26.04.2022
Rezessionsindikator
Die Steigung der Renditestrukturkurve liefert größtenteils hervorragende Indikationen für die zukünftige konjunkturelle Entwicklung sowie die Entwicklung wichtiger Assetklassen. So gab es im Vorfeld der vergangenen sieben von acht Rezessionen eine Inversion beim 2/10er US-Treasury-Spread (Steigung). Dabei ist eine Inversion als Spread bzw. Steigung < 0 über zwei konsekutive Monate definiert. Lediglich im Vorfeld der jüngsten Rezession (2020) lag die 2/10er Steigung zum Monatsende nie unter 0. Dies konnte allerdings die Steigung, gemessen an der 3-Monats Bill-Rate und 10-j. US-Treasury-Rendite, wettmachen. Im Vorfeld aller acht vergangenen Rezessionen war die Steigung ab einem bestimmten Zeitpunkt negativ.
Welche Vorlaufeigenschaft besitzen die beiden genannten Steigungen? Während der 2/10er Spread im Durchschnitt rund 16 Monate vor einer Rezession invertierte, lieferte der 3-Monats/10-Jahres-Spread rund 11 Monate ein Rezessionssignal.
Damit können Investoren auf der Suche nach Rezessionsgefahren die Signale von der Renditestrukturkurve in einem 2-Schritt-Verfahren nutzen: Nachdem der 2/10er Spread negativ geworden ist, sollte dem 3M/10J-Spread eine höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wird auch dieser negativ, steht eine Rezession auf Basis des historischen Musters in den nächsten 11 Monaten aller Voraussicht nach ins Haus. Übertragen auf das aktuelle Marktumfeld lautet die vorläufige Conclusio mithin: eine vollständige Inversion des 2/10er Spreads ist noch nicht erfolgt. Ende März 2022 lag die Rendite zweijähriger US-Treasuries zwar kurzfristig über dem zehnjährigen Pendant, seitdem ist die Kurve bis Mitte April aber erneut steiler geworden (zehnjährige US-Staatsanleihen lagen rund 30 Bp über zweijährigen Artgenossen). Auch ein bei rund 190 Bp erhöhter 3M/10J-Spread lässt Rezessionsfantasien als derzeit voreilig erscheinen.
Ein Wort der Vorsicht: Wenngleich es – wie beschrieben – ein signifikantes, historisches Korrelationsmuster zwischen Inversionen der Renditestrukturkurve und Rezessionen gibt, handelt es sich hierbei nicht um einen kausalen Befund. Zudem kann die sogenannte Laufzeitenprämie (dies verlangen die Investoren als Kompensation für Inflationsrisiko) eine verzerrende Rolle spielen. In Zeiträumen, in denen diese Laufzeitenprämie Null oder gar negativ ist (wie aktuell), sollte die Renditestrukturkurve grundsätzlich flacher sein als in vergangenen Dekaden. Aus einer Inversion der Kurve sodann ein Rezessionssignal abzuleiten, ist mindestens kritisch zu beurteilen. Vor dem Hintergrund der weltweiten Angebotsschocks (Pandemie, Krieg) zeichnet sich derzeit eine mittelfristig wieder höhere Inflationsrate ab. Sollte dies Bestand haben, würde sich auch die Laufzeitenprämie wieder normalisieren. Damit wiederum erhielte das historische Korrelationsmuster (Kurveninversion als Rezessionssignal) eine höhere Aussagekraft.
USA: Steilheit der Zinskurve