Die Inflationsdynamik steht weiterhin im Fokus der Märkte. Kurzfristig rechnen wir mit einer Divergenz der Inflationsentwicklung beiderseits des Atlantiks. Dies hat Implikationen für die beiden wichtigsten Notenbanken. Während die Fed ab September die Zinsen weniger stark anheben dürfte, sollte die EZB  im Juni endlich Fahrtwind aufnehmen. Für EUR/USD leiten wir hieraus höhere Niveaus ab.

 

Daniel Winkler
Multi Asset Strategist
31.05.2022

US-Konsum stabil

In den USA dürfte die Inflation im aktuellen Konjunkturzyklus unseres Erachtens nunmehr sukzessive sinken, wenngleich in Trippelschritten. Das von der Fed favorisierte Inflationsbarometer, die Personal Consumer Expenditures (PCE), legte nach dem 40-Jahrehoch im März 2022 (6,6% im Jahresvergleich) im April mit 6,3% weniger stark zu. Die PCE-Kernrate (ohne die volatilen Komponenten Lebensmittel & Energie) sank derweil von 5,2% auf 4,9%. Damit sich der Trend langsam sinkender Preise fortsetzt, muss die Güternachfrage weiter abnehmen. Eine Indikation hierfür ist, dass sich der Häusermarkt bereits moderat abkühlt. Bei der Inflation im Dienstleistungsbereich kommt es derweil insbesondere auf die Arbeitskosten an. Da der Arbeitsmarkt weiter überaus robust ist und damit die Löhne weiter anziehen, klettert die Dienstleistungsinflation. Da die Lohnzuwächse wiederum unterhalb der Inflationsrate liegen, bleibt ein grundsätzlicher Gegenwind für das Konsumentenvertrauen intakt. So ist das Verbrauchervertrauen (University of Michigan) im April um 10% auf den niedrigsten Stand seit August 2011 gesunken.

Die PCE-Daten sind in der Summe nichtsdestotrotz ein deutliches Indiz dafür, dass der Konsumentenausgaben-Boom in den Vereinigten Staaten am aktuellen Rand weitergeht. Inflationsbereinigt kletterten die persönlichen Konsumausgaben im Monatsvergleich um 0,7%. Selbst wenn dieser Ausgabenposten der privaten Haushalte in den USA im Mai und Juni nicht wachsen würde, wäre für das zweite Quartal 2022 eine satte annualisierte Rate von 4,1% zu verzeichnen. Nach wie vor „entsparen“ die Konsumenten ihre Pandemie-Reserven. So ist die persönliche Sparquote in den vergangenen acht Monaten von 8,1 auf 4,4% und damit auf den niedrigsten Stand seit der Großen Finanzkrise gefallen. Die vorliegenden Daten, die auf die bereits robusten Einzelhandelsumsätze von vor zwei Wochen folgten, zeichnen insofern und entgegen einigen US-Einzelhandelsriesen durchaus ein konstruktives Bild der Konsumentennachfrage.

US-und Eurozone-Inflation mit Prognosen

FED: Die Routiniers

Wenngleich die Angebotsschocks durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg selbstredend auch die US-Notenbank vor immense Herausforderungen gestellt hat bzw. stellt, war die Reaktion der Fed vor allem im Vergleich zur EZB resolut und vor allem schnell. Nachdem die These einer transitorisch hohen Inflation als wackelig erkannt und sodann zeitnah verworfen wurde, hat es die Fed durch ein Konzert an verbaler Intervention vermocht, die Rendite-strukturkurve in den USA bereits vor ihrem Lift-Off im Frühjahr maßgeblich zu beeinflussen. Damit hat das FOMC es geschafft, die gewünschte Bremsung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage frühzeitig einzuleiten.

Da wir 2022 nicht mit einer ausufernden Lohn-Preis-Spirale rechnen – dies begrenzt die Inflation im Dienstleistungsbereich, was insgesamt eine moderatere Inflationsentwicklung begünstigt  – und das „Entsparen“ in wenigen Quartalen an Grenzen stößt, dürfte die Fed „nur“ noch zwei weitere Zinserhöhungen à 50 Basispunkte (Juni und Juli) umsetzen und sodann in den 25er Gang schalten (bis Jahresende). Da der neutrale Zins bei 2,5-3,0% liegt, wären die Fed-Bremsen bis Jahresende 2022 mit 2,75% (Fed Funds Rate Upper Bound) sodann nur moderat angezogen. Bis dahin halten wir eine nachhaltige Inversion der Zinskurve als Indikation einer bevorstehenden Rezession für unwahrscheinlich.

 

USA: Steilheit der Zinskurve 

EZB: Die Schlafwandler wachen auf

Im Gegensatz zu ihrem amerikanischen Pendant hat die EZB die Inflationsdynamik zu lange falsch eingeschätzt. Und sogar, als die Mittelfristprojektion für die Teuerungsrate im April auf über 2% angehoben wurde, blieben die EWU-Währungshüter untätig. Die aus der Corona-Isolation heraus geführte Pressekonferenz verkümmerte zu einem nahezu beispiellosen Non-Event. Wenngleich die Engpässe bei der Energieversorgung durch den Ukraine-Krieg die Konjunkturentwicklung in der Eurozone stärker belasten, ist die Teuerung derzeit das größere Problem! So dürfte die Inflation im gemeinsamen Währungsraum bis zum Sommer noch einmal weiter zunehmen – knapp 8% in der Headline-Rate, nicht zuletzt wegen der stark steigenden Lebensmittelpreise, dürften aller Voraussicht nach erreicht werden. Das Inflations-Plateau im Euroraum bildet sich sodann erst im Herbst nachhaltig zurück, wenn Basiseffekte bei den Energiepreisen für einen stärkeren Rückgang sorgen. Weit unter die Marke von 5% dürfte die EWU-Inflation nichtsdestotrotz zum Jahresende nicht fallen!

Wenngleich die Inflationsdynamik mittelfristig (ab 2023) wieder mehrheitlich strukturell getrieben sein dürfte, sind in der kurzen Frist einige starke zyklische Treiber am Werk.

Augenscheinlich ist dies auch der EZB seit ihrer geldpolitischen Sitzung im April aufgefallen. Nur so lässt sich das seitdem für EZB-Verhältnisse falkenhafte Feuerwerk an Kommentaren aus dem EZB-Rat erklären. Aufgrund der Makrolage und der jetzt vorliegenden EZB-Meinungsrichtung gehen wir von bis zu drei Zinsschritten beim Einlagensatz von je 25 Bp. ab Juli aus. Sollten die Konjunkturrisiken sich nicht weiter verstärken (keine Eskalationen beim Ukraine-Krieg und der Covid-Lage in China), könnte die EZB den Einlagesatz im Dezember auf 0,25% angehoben haben.

Was heisst das alles für EUR/USD?

Noch Mitte vergangenen Monats ist das meistgehandelte Währungspaar unter die Marke von 1,04 gesackt. Nicht wenige Marktteilnehmer fabulierten bereits von der Parität. Auch, um nicht mittels einer schwachen Währung in eine noch brenzligere Inflationsdynamik zu geraten, besann sich die EZB im Mai 2022 eines Besseren und postulierte konzertiert den Kampf gegen die Inflation und damit das Ende ihrer Zentralbankverwaltungswirtschaft.

Nach den herben Enttäuschungen, welche der Währungsmarkt in Sachen vergangene EZB-Sitzungen wegstecken musste, wurde der jüngste Richtungsschwenk der EZB als glaubwürdig eingestuft, so dass ich der Euro im Verhältnis zum US-Dollar zügig berappelte und in wenigen großen Schritten das Niveau um 1,04 hinter sich ließ und kurz vor 1,08 vorrückte.

Bis zur nächsten geldpolitischen Sitzung am 9. Juni rechnen wir nicht mit nachhaltigen höheren Niveaus bei EUR/USD. Sollte die EZB dieses Mal tatsächlich und erwartungsgemäß liefern – was explizit die Aussicht auf zwei weitere Zinsschritte 2022 umfasst –, liegen die nächsten Anlaufmarken im Nachgang des Zinsentscheids bei 1,10 und 1,12. Zum Jahresende rechnen wir mit einem Erreichen der Marke von 1,15. Dies setzt allerdings voraus, dass die Fed in Sachen Zinsschritte wie beschrieben in den 25er Gang schaltet (ab September 2022).

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